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United States of Trash

Ist ohnehin da, machen wir das Beste draus? Inseln aus Plastik sind nicht nur Legobausatzrealität, sondern die Wegwerfzukunft der Menschheit – uns schwimmt der Müll schon im Blut.

Ist doch hübsch, so ein Strudel: Apfelstrudel, Sauerkrautstrudel, Badewannenablaufstrudel. Kennt man, mag man. Jetzt neu: Plastikstrudel. Bedarf? Frage nur aus Höflichkeit. Denn im Nordpazifik hat sich längst ein Haufen aus Kunststoff zu einer Fläche so groß wie Frankreich zusammengewirbelt. Und wer davon weiß, möchte lieber nichts davon wissen.

Das soll sich jetzt ändern, Aktivist*innen haben im September 2017 die „Trash Isles“ zur Anerkennung als 196. Staat bei der UNO eingereicht. Al Gore hat sich als erster Bürger registriert, über 100.000 weitere Menschen haben die Staatsbürgerschaft beantragt. „Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine“, so hat es schon Brecht in seinem „Lied von der Moldau“ herbeigesehnt — alle Macht dem Makro- oder Mikro-Plastik? Ist ja ohnehin da, machen wir das Beste draus. Lassen wir Plastik-Kolonist*innen Häuser auf krümeligem Plastiksand bauen, in denen dann internationale Weltenbürger-Kinder spielen wie mit Lego aus Müll. Können auf Plastik Bäume wachsen oder gar Palmen? Wird am Ende das Land der vielen bunten Teilchen ein Urlaubsparadies mitten im Wasser, so wie die menschgemachten Inseln vor Saudi-Arabien, die „Palm Islands“, die aus der Vogelperspektive aussehen wie von Sandkünstler*innen an die Küste gestreut? Wird diese Insel ein Symbol des perfekten Upcyclings — Wiederverwertung 3.0? Credo: „Schmeißt ruhig weiter alles in die Flüsse und Meere: Daraus werden die neuen Länder unserer neuen Völker. Der grüne Planet erhält jetzt neue Erdplatten, denn die alten sind schon verseucht.“

Laut Artikel 1 der Konvention von Montevideo über Rechte und Pflichten der Staaten von 1933 benötigt man für eine Staatsgründung folgende Voraussetzungen: ein definiertes Staatsgebiet, Interaktion mit anderen Staaten, eine dauerhafte Bevölkerung, eine Regierung. Das klingt nach Arbeit, nicht nach Schrott. Ein Staat, der aus unseren Wegwerfartikeln besteht, sollte ein Mahnmal werden, ein dickes Ausrufezeichen, von dem alle wissen. Ein friendly reminder: Alles, was du aussendest, kehrt zu dir zurück. Fakt ist: Wir brauchen eine unbürokratische, schnelle Lösung, weil sich die nächste Abfallinsel, diesmal im Südpazifik, schon formiert. Bis 2050 soll das Gewicht von Mikroplastik und Plastik in den Ozeanen das Gewicht von Fischen übersteigen. Dann können wir einfach die gesamte Wasserfläche der Welt zu Plastik h. c. ausrufen. Uns inklusive — wir haben die Teilchen schon im Blut.