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„In Deutschland muss man erst einmal ein Institut gründen, damit die Leute etwas ernst nehmen“

Katrin Hansmeier gefällt es, Leute aus der Reserve zu locken. Sie erklärt, wie man zwischenmenschliche Herausforderungen an der Supermarktkasse löst, warum Humor gegen Herumjammern hilft und worin Angela Merkels stilles Geheimnis besteht.

Müssen die Leute lachen, wenn du sagst, dass du als „Humorcoach“ arbeitest?

Da liegt ihr gar nicht so falsch. Natürlich müssen die Leute manchmal schmunzeln. Wenn man sich mal die Bestsellerlisten so anschaut, sind Themen wie „Glück“ und „Humor“ seit etwa drei bis vier Jahren schon sehr präsent. Deshalb haben die Leute ein viel stärkeres Bewusstsein dafür, dass man sich mit Humor befassen kann. Die Neugier ist erst einmal groß. Gleichzeitig kann man sich nicht unbedingt sofort vorstellen, was ein Humorcoach so macht.

Wie sieht so ein Training aus?

Wenn ich ein richtiges Coaching mache, braucht das schon drei bis vier Monate. Ich biete aber auch Schnellcoachings an, wenn eine Kund*in zum Beispiel in der nächsten Woche eine Rede halten muss. Wenn jemand einfach spontan ist, kann man ihm Feedback geben, was ankommt und was eher nicht. Da gibt man dann eher eine schnelle Humorspritze und versucht mit ein paar rhetorischen Tricks und dem individuellen Humorgeschmack der Person den Inhalt ein bisschen aufzupeppen. Beim letzten Mal haben wir das in drei Stunden geschafft.

Kann man Humor lernen?

Eigentlich werden wir als Humorprofis geboren. Für Kinder ist Albernheit nichts Negatives. Durch unsere Erziehung lernen wir, hauptsächlich ernst zu sein. Humor muss man dann wieder neu erlernen. Da geht es viel um den Bezug zu sich selbst und zu den anderen. Oft beginnt so ein Training mit der einfachen Frage, wann die Leute das letzte Mal gelacht haben. Dann gibt es Techniken, zum Beispiel aus dem Improvisationstheater, die die Reaktionsfähigkeit und Flexibilität trainieren. Gewohnheiten sind etwas, was wir nur ungern ändern. Mit Humor ist man fähig, die eigene Perspektive zu ändern und sich darauf einzustellen, dass Menschen nicht immer das machen, was man von ihnen erwartet. Kinder sind in ihren Reaktionen dagegen meistens sehr direkt und erstaunlich flexibel.

Aber Kinder empfinden das nicht als Humor?

Nein, aber sie lernen recht schnell, wie sie jemanden zum Schmunzeln kriegen. Im Humortraining geht es genau darum, zu lernen, diese intuitive Reaktion wieder nachzuempfinden. Humor hat Grundprinzipien, auch im Alltag — aus einer humorvollen Sicht ist jede Störung immer auch ein Angebot. Zum Beispiel wenn jemand in der S-Bahn herumgrölt. Da sagt sich der Humor: „Hurra, eine unerwartete Situation, mal gucken, was ich daraus machen kann.“ Humor schafft einen kreativen Handlungsspielraum und lässt sich von den Problemen nicht an den Haken nehmen.

Also hat nicht jede*r automatisch Humor, die*der einen guten Witz erzählen kann?

Ich habe immer so meinen Halbjahreswitz, der begleitet mich eine Weile und dann vergesse ich ihn wieder. Für mich beginnt Humor dort, wo man einen Sinn für ihn hat. Da geht es eher um ein Gespür oder eine Einstellung. Humorvoll zu sein heißt, auch in ernsten Situationen etwas Komisches zu entdecken. Humor hat etwas mit Aufmerksamkeit gegenüber der Situation und den anderen zu tun. Zum Beispiel dann, wenn morgens in der U-Bahn alle so schlecht gelaunt herumsitzen.

„Eigentlich werden wir als Humorprofis geboren.“

Als Arbeitsmethoden nennt ihr auf eurer Website „Vertrauen, Hingabe, Mut, Disziplin und Humor“. Ist „Humor“ ein Konzept, das man ernsthaft verkaufen muss?

Coaching ist immer auch etwas Persönliches und muss deshalb ernsthaft betrieben werden. Es wird viel gelacht, aber es gibt auch zarte und schmerzhafte Momente. Beispielsweise dann, wenn man die eigenen Glaubenssätze wie „Ich muss es allen recht machen“ hinterfragt. Die zu überwinden, kann manchmal weh tun. Der zweite Schritt besteht darin, mit solchen Selbstblockaden einen humorvollen Umgang zu finden. Aber nichts geht ohne die ernsthafte Betrachtung solcher Probleme. Die Bereitschaft, sich mit Leidenschaft und Neugierde auf die eigenen Probleme zu stürzen, spielt dabei eine große Rolle.

Das klingt jetzt eher nach einer Therapiesitzung.

Natürlich hat das einen therapeutischen Aspekt. Wenn es um Humor geht, kommt man automatisch dazu, über die eigenen Macken zu reden und muss etwas von sich preisgeben. Klar gibt es auch den Humor, den man wie einen Schutzwall um sich herum aufbaut, aber oft beginnt Humor gerade dort, wo man seine Verletzlichkeit zeigt.

In anderen Ländern lacht man über die fleißigen, ernsten Deutschen. Welche Menschen haben deiner Meinung nach eine Portion Humor nötig?

Ich finde es immer anmaßend zu definieren, wer nun Humor nötig hat. Ich persönlich fände es sehr schön, wenn unsere Politiker*innen mehr Humor hätten. Willy Brandt ist für mich so eine Figur, die die Mischung von Selbstironie und Kompetenz ganz gut hinbekommen hat, ähnlich wie Barack Obama. Weil alle über seine ethnische Herkunft spekulierten, hat Obama dem versammelten Kongress einen Ausschnitt aus König der Löwen gezeigt. Genau das bekommen unsere Politiker*innen nicht hin — Humor auf eigene Kosten zu machen. Meistens gibt es Stellungnahmen und ernste Gegenoffensiven. Dabei ist Humor oft klüger im Umgang mit blöden Fragen.

Wir erinnern uns gut an Gerhard Schröders breites Grinsen. Ist Lachen eine Geste der Macht?

Man kann sein Publikum mit einem Lächeln humorvoll aufwerten und eine Verbindung schaffen. Das ist für mich dann eher eine Steigerung der sozialen Attraktivität. Ein breites Grinsen, weil meine Parteikolleg*innen über meine Witze lachen, hat etwas Einfaches und Selbstgefälliges. Das finden wir übrigens vermehrt in der Männerwelt. Man mag von Frau Merkel ja denken, was man will, aber schlagfertig gegenüber den männlichen Kollegen ist die Frau.

Also ist Frau Merkel für dich humorvoll?

So würde ich das jetzt nicht sagen. Also, na ja. Im Vergleich zu den Männern ist ihr Humor leiser. Sie setzt Finten und schlägt sich eher wie ein kleiner Samurai.

Wenn man locker wirken soll, verkrampft man sich meistens umso mehr. Hilft da bei hartnäckigen Fällen in deinen Humorseminaren nur noch Schnaps?

Humortraining heißt nicht, dass von null auf hundert alle total lustig und locker sein müssen. Ich finde es auch gut, den Leuten ein wenig Zeit zu geben und ihnen — ob extrovertiert oder schüchtern — ihr Naturell zu lassen. Mit der Zeit stellt man fest, wie man die Leute aus sich herauslockt, mit Assoziationsübungen zum Beispiel, wenn sie zu verkopft sind.

Hilft dir in den Seminaren auch dein Schauspielstudium?

Klar, allein, dass man anders sprechen und in Rollen schlüpfen kann. Im Schauspiel trainiert man vor allem auch zu scheitern, immer wieder auf die Bühne zu gehen und neu anzufangen. Man weiß dann auch, dass Scheitern oft die schönsten Dinge hervorbringt und die Knackpunkte da liegen, wo etwas nicht funktioniert. So wie beim Humor.

Wo hört für dich der Spaß auf? Leben wir in einer „Spaßgesellschaft“, die mehr Ernst nötig hätte?

Für mich gehören Ernsthaftigkeit und Humor zusammen. Ich bin ja nicht für fünf Minuten ernsthaft und dann wieder lustig. Mit euch führe ich jetzt auch ein ernsthaftes Gespräch, in dem aber auch Humor drin ist. Es geht bei Humor, wie in einem guten Gespräch, darum, das Gegenüber ernst zu nehmen, indem man offen und neugierig auf die Person ist. Vielleicht hört Humor da auf, wo jemand mit einer Knarre in der Hand vor mir steht. Vielleicht fängt er aber auch gerade da an, weil die Situation so absurd ist.

In letzter Zeit sind die Zeitungen voll mit Lebensberatung zu „Burn-out“ und Stress im Job. Haben wir den Humor verlernt oder sind wir zu kritisch?

Nein, ich glaube, das Herangehen an Probleme ist nicht die Sache, sondern eher das Verharren an ihnen. Das geht so: Man hat ein Problem, denkt darüber nach und bekommt beim Nachdenken schon schlechte Laune. Dann bespricht man lange und ernsthaft, wie sich das Problem lösen lässt, am besten mit viel Jammern, weil’s so schrecklich ist. Wir verharren zu sehr in einem Zustand von Hilflosigkeit und Selbstmitleid, anstatt mal die Perspektive zu wechseln. Das gelingt mit Humor ganz leicht.

Das Deutsche Institut für Humor arbeitet für große Wirtschaftsunternehmen. Ist Humor eine Wirtschaftsressource oder ein Wettbewerbsvorteil?

Klar ist Humor für Unternehmen eine Ressource. Zum Beispiel im Personalbereich. Wenn ich eine gute Arbeitsatmosphäre schaffe, wenn es Räume für Kreativität geben darf, sind meine Mitarbeiter* innen zufriedener und leistungsfähiger. Die Berliner Stadtreinigung hat sich mit Sprüchen wie „Laubüberfall“ auf ihren Fahrzeugen ein humoristisches Image verschafft. Wenn man an die denkt, muss man lächeln.

Deutsches Institut für Humor klingt dagegen ja sehr bürokratisch, als würde man DEN Humor verkaufen. Meint ihr das ernst?

Das ist natürlich mit einem Augenzwinkern gemeint. In Deutschland muss man erst einmal ein Institut gründen, damit die Leute den Humor ernst nehmen. Wir sind ja durchaus Fan davon, dass Humor als Thema ernst genommen wird.

Kann gerade Deutschland mehr Humor gebrauchen?

Klar, aber eine humoristische Tradition hat es hier immer gegeben, wenn man an Heinz Erhardt, Loriot oder Dieter Hildebrandt denkt. Selbst in den dunklen Zeiten der deutschen Geschichte, in den Konzentrationslagern, hatte Humor seinen Platz. Der deutsche Regisseur und Schauspieler Wolfgang Langhoff hat im KZ Börgermoor mit seinem Zirkus Konzentrazani eine Riesenshow auf die Bühne gebracht und mit einer Persiflage des Lagerlebens die Häftlinge gestärkt. Bei der Geschichte des Humors in Konzentrationslagern hatte man historisch lange Zeit Angst, dass dieses Thema verharmlosend wirken könnte. In Deutschland fürchtet man, dass wenn man etwas mit Humor nimmt, der nötige Ernst fehlt. Dabei ist bei Humor alles eine Frage der Dosis.

Ist Humor ein Mittel für Gesellschaftswandel?

Ja, da bin ich dafür! Beim Humorinstitut denken wir gerne groß. In unserem Projekt „Arzt mit Humor“ geht es beispielsweise um die Vereinbarkeit von hochtechnisierter Medizin und Menschlichkeit. Wir glauben daran, dass sich eine Kultur durch Humor wandeln kann, wenn es mehr Platz für ihn gibt und Menschen sich dafür entscheiden, durch Humor auch in Krisenzeiten respektvoll und liebevoll miteinander umzugehen. Humor muss man leben. Das beginnt an jeder Supermarktkasse, wenn man versucht, auf Unfreundlichkeiten überraschend und anders zu reagieren. Wenn man das mehr täte, wäre zumindest schon ein kleiner Schritt gemacht.