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Das dicke Ende des Müllkontrollstabs

Auf der Suche nach einer Katzenklappe in eine Welt erträglicherer Relevanz-Allianzen, landet unsere Autorin auch heute noch: bei MTV.

Der Stecken war lang, spitz an einem Ende und am anderen zu einem stabilen Knuterich verdickt, so dass man damit den auf frischer Tat ertappten Delinquent*innen sofort eins überbraten konnte. Zumindest in meiner Erinnerung. Vor gut 20 Jahren, als ich in einer zum Studierendenwohnheim umgebauten Tübinger Kaserne lebte, stocherte eine Bekannte von mir in ihrer Eigenschaft als bezahlte Müllkontrolleurin mit eben diesem offiziellen Müllkontrolleurinnenstab im Abfalleimer meiner Wohnheims-WG, um zu überprüfen, ob wir nicht nachlässiger- wie verbotenerweise Bioschlick und Le-Patron-Flaschen im Allgemein-Eimer entsorgt hatten. Was natürlich der Fall war. An den genauen Wortlaut der sehr langen Predigt, die penibel die vielfältigen Varianten abhandelte, mit denen wir durch unser sorgloses Verklappungsgemüt dem reibungslosen Weltenlauf schaden würden, kann ich mich nicht mehr erinnern, wohl aber an ihren Schlusssatz: „Aber kein Wunder, du denkst ja auch, die MTV-News wären die Nachrichten.“

Gut: Erst einmal soll mir jemand abschließend beweisen, dass die MTV-News, seit Jahren schmerzlich vermisst, NICHT „Die Nachrichten“ sind. Würde man nicht sofort das Köfferchen mit dem Nötigsten packen und umziehen auf eine Welt, in der die Nachricht, dass Brett Anderson, leicht frettchenhafter Sänger der Band Suede, tatsächlich nach Lord Brett Sinclair aus Die Zwei benannt wurde, weil seine Mutter die Serie so mochte (wer bitte nicht?), mindestens genauso gewichtig ist wie die Kunde von beunruhigenden Atomtestereien oder den neuesten Trump-Kapriolen? Lange Jahre waren mir die MTV-News in bedrohlichen Weltenlagen so etwas wie ein medialer Stress-Knetball, eine Katzenklappe in eine Welt erträglicherer Relevanz-Allianzen, und natürlich kann ich auch heute noch die fünf absurdesten Einträge in Mariah Careys Backstageversorgungs-Forderungsliste stotterfreier aufsagen als die aktuellen Ministerpräsident*innen, weswegen ich leider niemals zu Wer wird Millionär kann, weshalb ich weiter in Verhältnissen gefangen bin, in denen ich manchmal noch vom dicken Ende des Müllkontrollstabs träume.